Mittwoch, 24. August 2011

Das Raum-Zeit-Bahn-Kontinuum

Ich sag's Euch: die Deutsche Bahn hat ein paar Tricks drauf, da kann einem nur schwindelig werden. Jene, die mich aus Facebook kennen, wissen, dass mir vor einigen Wochen einmal ein Zuganzeiger begegnet ist, auf dem eine S-Bahn "in 7 Minuten" angekündigt war und gleich daneben lief eine Laufschrift (was Laufschriften eben so hauptberuflich machen) "fällt aus". Ich fragte mich natürlich, wie so ein Zug pünktlich ausfallen kann, was er macht, bis er pünktlich ausfällt und ob er in sieben Minuten auf offener Strecke verpufft wäre.
Viel länger und häufiger jedoch plagt mich ein Satz, der in Regional- und Landesbahnen durchgesagt wird und der mir schon am frühen Morgen so viele Synapsen zerschießt, dass die sich abends kaum wieder in die richtige Reihenfolge saufen lassen.
Gut einen Kilometer vor der Einfahrt in den Frankfurter Hauptbahnhof tönt da folgendes aus den kratzigen Lautsprechern:

"Nächster Halt, Frankfurt Hauptbahnhof. Bitte steigen Sie alle aus, dieser Zug endet hier…"

"Jetzt geh'n wer alle druff" möchte ich schreien. Aber ich halte an mich.
Der Zug endet hier? Ja Kacke, wie kommen wir denn dann alle zum Hauptbahnhof? Wieso endet er denn nicht dort? Und wann sollen wir denn nun alle aussteigen? Hier und jetzt? Die Scheißkiste rollt doch noch! Die Frage wie das aussieht, wenn so ein Zug endet, hätte ich mir gar nicht gestellt. Wie so viele Fragen rund um diesen Satz, wenn er eben auf dort endete, statt auf hier. Hier ist für mich so wenig verhandelbar wie jetzt. Und ein Zug, dessen nächster Halt noch in der Zukunft liegt, sollte nicht im Hier und Jetzt enden – vom Aussteigen will ich gar nicht noch mal anfangen.

Ach, aber was will man erwarten von einem Unternehmen dessen Servicepersonal mich im Speisewagen – so klingt es im ICE bekanntermaßen aus den Lautsprechern – "gerne erwartet"? Dass mich der Service der Bahn gerne erwartet, glaube ich gerne. Dass er mich auch gerne mit Informationen und/oder einer guten Dienstleistung versorgt, darüber schweigt sich der Lautsprecher wohl zurecht aus.

Zugzielanzeiger gestört – bitte Lautsprecherdurchsagen beachten.

Montag, 15. August 2011

Achtung: unbestätigter Post

Die gute alte Tagesschau, das Informationsportal, dem ich einfach noch vertraue. Vielleicht, weil sie mir schon so lange erzählt, was in der Welt los ist: kompetent, zuverlässig, unprätentiös. Wenn Jens Riewa mir erzählt, was bis Redaktionsschluss so alles passiert ist, dann fühle ich mich sicher informiert.

Doch was passiert hier gerade?

Ein Video aus Syrien wird eingeblendet, auf dem Menschen scheinbar im Krieg sind. Quelle ist nicht etwa der Reporter vor Ort, wer will´s ihm verübeln, sondern Youtube. Die Berichte stammen, so heißt es in einem Nebensatz, „aus unbestätigten Quellen“ oder werden „laut Aussagen von“ rezitiert. Immer häufiger passieren „angebliche“ Dinge, die „so scheinen“, zumindest „vermutlich“.

Sicher sind auch „angebliche“ Informationen unter Umständen berichtenswert, will man auch aus „unbestätigten Quellen“ die Anbahnung von Ereignissen erfahren. Muss es aber zu den unbestätigten Quellen denn auch noch ein unbestätigtes Youtube-Video sein, das angeblich etwas zeigt, von dem man nicht einmal weiß, ob es überhaupt stattgefunden hat?

Und wie geht es weiter? Fordert Jens Riewa uns demnächst auf, in einer Nachrichten-Wunschliste auf Youtube zu wählen, oder mag Tom Buhrow uns sogar anbieten, unser ganz persönliches Nachrichtenvideo zu erstellen, vielleicht mit einer Software, die es bei herunterzuladen gibt?

„Alles Panikmache!“, höre ich´s tönen. Die (sogenannten) neuen Medien jedoch finden in der täglichen Berichterstattung immer mehr Raum. Vor einigen Jahren waren es noch mit vermutlich großem Aufwand forcierte Berichte der Regierungen Bush und Blair über Chemiewaffen im Irak, die immerhin einen Krieg dort rechtfertigen konnten. Heute brauchte es unter Umständen nur noch ein kleines Video von selben Stellen, um als Nachricht in den öffentlich rechtlichen Einzug zu halten.

„Währet den Anfängen!“ möchte ich dem entgegensetzen. Wenn es keine verlässlichen Nachrichten gibt, dann gibt es eben keine, und wenn es zu unverlässlichen Nachrichten keine Bilder gibt, dann sollten wenigstens die ausbleiben, denn „unbestätigt“ + „unbestätigt“ ist am Ende noch lange nicht = „Bestätigt“, auch wenn es der Quote gut täte. Die allerdings sollte sich aus der Seriosität der Nachrichten ergeben und nicht aus der Tatsache, dass da jemand gerade die schönsten Bildchen zu angeblichen Nachrichten hat.

In diesem Sinne: „Und morgen ist ein neuer Tag“ — und dann vielleicht mit weniger und dafür bestätigten Nachrichten.

Montag, 8. August 2011

Sprachstörung

…inspiriert von George Carlin.


Ich mag ja meine Muttersprache. Vielleicht nur, weil ich sie nunmal besser kann als jede andere. Und deshalb mag ich es nicht, wenn man sie missbraucht.
Jetzt über die zu lästern, deren geringer Wortschatz durch "weißt' was ich mein" und "Alder" aufgefüllt wird, wäre einfach. Das ist zwar traurig, aber auch langweilig als Thema. Mindestens so gruselig ist zum Einen, welche Superlative und Steigerungen uns nach wie vor in Werbung und PR aufgetischt werden (dazu ein späterer Post) und zum Anderen, wie unsere Sprache verkompliziert und verdoppelt wird, um uns über die wahren Hintergründe hinweg zu täuschen und uns einzulullen, in ein Blabla, das so tut, als sei es intelligent.
Dabei werden Begriffe mit Adjektiven aufgebläht, die redundant sind. Das Umschreiben dient lediglich dazu klüger zu klingen, ist aber letztlich unglaublich blöde und bläht das Gesagte auf, obwohl es einfach gesagt dasselbe meinte. Medien in jeder Form tun sich gerne durch solche Formulierungen hervor und zwar genau die, die allgemein als seriös gelten. Hier ein paar Lieblinge:


Die geschlossene Faust – Und eine Faust war noch mal was? 


Die totale Abstinenz – Joah. Machen oder lassen. 


Ein einzigartiges Individuum.


Eine neue Initiative.


Zukunftspläne – Ist es nicht die Natur eines Plans, dass er in die Zukunft zeigt? Wie spaßig kann es wohl sein, die Vergangenheit zu planen? Und zur Gegenwart stelle ich mir das ungefähr so vor: "Du, ich kann grad nicht, ich plane eben meine Gegenwart. Ach Mist, schon vorbei. Gleich noch mal. Ach, schon wieder um." "Du, lass Dich nicht aufhalten und viel Erfolg noch." "Danke für die Ermutigung, Sysiphus." Außerdem wünsche ich mir, dass in einem Vorstellungsgespräch die Frage "Wo sehen Sie sich in fünf Jahren" endlich einmal mit dem Satz beantwortet wird: "Wenn Ihnen keine bessere Frage einfällt, dann zwei Etagen über Ihnen, Arschloch". Aber das nur am Rande.


Genau richtig – wie könnte etwas weniger richtig als richtig sein bzw. richtiger als richtig? 


Ein persönlicher Freund.


Der innere Kern.


Die jüdische Synagoge.


All das wäre mit einem Wort genauso gesagt, wie mit zweien. Und – was noch wichtiger ist – es wäre genauso verstanden. Der Sender käme sich nur nicht ganz so überlegen vor. 


Aber es geht – wie so oft – noch schlimmer. Denn manches Geschwafel ist Blendwerk. Kaum zu toppen ist dabei das Gratisgeschenk!
Das an sich ist Blödsinn, denn der Begriff Geschenk beschreibt ausreichend, dass man dafür nichts zahlt. Leider stimmt das häufig schon im Privaten nicht, wo doch allzu oft Gegenleistungen vom Beschenkten erwartet werden. Natürlich unausgesprochen, sonst wär's ja einfach. Aber pervertiert wird der Begriff im Marketing. Da nämlich entpuppt sich das Gratisgeschenk als gar nicht mehr so gratis. Es ist nichtmal ein Geschenk. Es ist ein vorgegaukelter Bonus – wie ein Rabatt – der nur dann greift, wenn man irgend etwas tut, das dem Schenkenden Geld einbringt. Hier wird also das Geschenk nicht nur mit dem Adjektiv gratis aufgebläht, es wird auch noch sinnentleert. Schade eigentlich, aber kost' ja nix.


Und damit zu meinem anderen Liebling bei den Redundanzen, dem Endergebnis. Äh – ja. Laut Duden ist das Ergebnis die Folge einer Anstrengung oder einer Unterlassung oder etwas, was durch Rechnung, Messung, Auszählung o.Ä. ermittelt wird. Und wo steht so etwas oder eine solche Folge normalerweise? Am Ende? Ui!
Ich will also mal nicht so sein und der Sportreportage ihr Zwischenergebnis oder ihr Halbzeitergebnis durchgehen lassen, obwohl beides eigentlich nur -stand heißen dürfte. Aber ausgerechnet in der ach so seriösen Berichterstattung zu Wahlen gibt es einen Begriff, bei dem man nur staunen kann. Hier genügt das Endergebnis nicht mehr, es gibt ein vorläufiges Endergebnis und zwar ein vorläufiges, amtliches Endergebnis. Wow! Dem Schöpfer dieses Begriffs möchte ich denselben Orden wider die Vernunft verleihen, wie dem der Abkürzung ELSTER.
Noch mal zum Mitschreiben: Vorläufiges, amtliches Endergebnis. WAS? Zählt Ihr noch, oder wisst Ihr schon? 
Es gibt keine vorläufigen Ergebnisse. Es gibt ein Ergebnis oder keins. Alles dazwischen ist kein Ergebnis, es ist vielleicht ein Halbzeitstand. Und wie amtlich kann so ein Konstrukt sein? Zugegeben, wenn man sich den Begriff auf der Zunge zergehen lässt, versteht man Duisburg besser, aber ganz ehrlich, wie quetscht man die Begriffe vorläufig und Ergebnis zusammen? Damit es keiner merkt klebt man noch ein End- dran und packt ein amtlich dazwischen. Das ist amtlich gruselig!


Vielleicht sollte ich die neue Initiative ergreifen und den einzigartigen Individuen im Finanzamt meine vorläufige, amtliche Endsteuererklärung mit einem schicken Gratisgeschenk in der geschlossenen Faust darreichen. Falls diese, meine Zukunftspläne den persönlichen Freunden dort den inneren Kern nicht genau richtig treffen, kann ich ja in einer jüdischen Synagoge ein leises Gebet sprechen oder die totale Abstinenz vom eigenen Besitz schwören. 


Hoch die gläsernen Gläser!