Freitag, 11. November 2011

Intelligenz wo man sie nicht vermutet.

Also ich habe ja schon davon gehört, dass man die kleinen Biester pränatal mit Mozart oder ähnlichem beschallen kann, in der Hoffnung, dass es mal ein Wunderkind wird und eben kein versoffener Nazi, der bis ins hohe Alter daheim bei Mutti hockt. Und auch davon, dass so ein Kind gerne mal boxt, tritt oder sonst wie, noch im Mutterleib, auf sich aufmerksam macht. Aber dass so eine Blage in ihrer Entstehung nun angeblich sinnhafte Morsezeichen gibt und nichts besseres zu tun hat, als darum zu bitten, nüchtern auf die immer blöder werdende Menschheit losgelassen zu werden, das wusste ich wirklich nicht. Dabei dachte ich immer, die Frühförderer machten sich vor Freude ins Höschen, wenn das kleine irgendwann "Mami" oder "Papi" durchs Erbrochene säuselt. Naja, man lernt eben nicht aus.

Dämliche Kampagne
Und just als ich dachte, ich hätte die am wenigsten erwartete Intelligenz getroffen, stolpere ich in den unten gezeigten Kühlschrank, der mitten auf dem Bürgersteig stand und das abgebildete Signet trug. Und wieder dachte ich "Ui!". Also wenn es jetzt "Durchgang verboten"-Schilder für Mikroben gibt, dann können die Biester also lesen? So klein und so gebildet? Ich sag' ja, man lernt nicht aus.

Aber wenn es so einfach ist, warum dann nicht ein solches Schild gleich vor die Wohnungstür, statt erst an den Kühlschrank? Arrangiert man sich mit den Mikroben so weit wie möglich, weil die Machtübernahme ansonsten demnächst ins Haus steht? "Kommt ruhig in meine Wohnung, aber verschont den gekühlten Gerstensaft", ist das die Marschrichtung? Und warum dann nicht auch "Stop Milben" oder noch konsequenter "Stop Staub"? Es ist ein Kreuz mit dieser Welt, dass nie irgendjemand etwas zu ende denkt.

Ich bastle jetzt Stopschilder.

Gesehen auf einem Kühlschrank, der – konsequenterweise – auf seine Abholung für den Sperrmüll wartete.

Mittwoch, 9. November 2011

Geht vor fair

Ist es nicht erstaunlich, dass Fairness immer dann beschworen wird, wenn sie nicht gemeint ist, und/oder von Menschen oder Institutionen propagiert wird, die weder das Recht noch die moralische Basis haben, Fairness einzufordern?

Da werden vor Fußballspielen Wimpelchen getauscht und Fahnen hochgehalten und es wird Fairness gelobt – von Mannschaftskapitänen, die es eigentlich besser wissen. Ich stelle mir dabei vor, das vorher irgendein fetter, korrupter Funktionär entweder mit der Knarre oder – wahrscheinlicher – mit zusätzlichen Scheinchen gewedelt hat, damit es zu derart verlogenen Verbrüderungen kommt. Denn es geht im Fußball nicht um Fairness. Es geht ums Gewinnen und es geht um Geld.

Fair bedeutet laut Duden: “den Regeln des Zusammenlebens entsprechend; anständig, gerecht im Verhalten gegenüber anderen". Erst in seiner zweiten Bedeutung steht - für den Sportbereich: "den (Spiel-)Regeln entsprechend und kameradschaftlich". Keine der beiden Beschreibungen hat irgendetwas damit zu tun, was da zelebriert wird. Und man möge mich nicht falsch verstehen: Ich mag das Gekicke, aber ich lass mich einfach so ungern verarschen. Da sprechen doch Sportreporter tatsächlich davon, ein Spieler habe den anderen fair vom Ball getrennt. Dabei hat er in der Regel nur Glück gehabt, dass er den Ball traf und sein Gegenspieler erst anschließend den Abflug gemacht hat. So ein Bein kann sich ja auch nicht in Luft auflösen. Einigen wir uns also darauf, dass der Spieler seinen Gegner regelgerecht vom Ball getrennt hat – wenn's gut läuft. Das Gequatsche von “fair” ist purer Unsinn. Fair (anständig, gerecht) wäre, wenn der Spieler einsähe, dass er seinen Gegner ohnehin nicht erreichen oder sich noch vor ihn stellen kann und ihn einfach laufen ließe. Aber das wiederum will keiner sehen – ebenso wie Fairness-Gelöbnisse. Zur Sache gehen muss das und gewonnen werden muss. Im besten Fall von der Mannschaft, derer man sich als Fan bezeichnet. Auf Fairness ist dabei geschissen, es sei denn, der Gegner verhält sich regelwidrig. Dann ist großes Buhen und Meckern; bei rüden Fouls der Heimmannschaft vielleicht mal ein "Ups ...".

Und die Geschichte dieses armen Wörtchens “fair”, das vielleicht mal für irgendwas gestanden hat, geht weiter – zunächst im Sport. Denn auch bei der Formel 1 wird vom fairen Platzmachen und unfairem Dichtmachen gesprochen – je nachdem, ob der schnellere Hintermann nun am Vordermann vorbeikam oder eben nicht. Oh bitte! Auch diese Jungs setzen sich nicht zum Kindergeburtstag in ihre Boliden oder nur deshalb, weil sie kleine Schwänze haben. Sie wollen ein Rennen gewinnen, bestenfalls eine ganze Meisterschaft. Auch hier geht es nicht um “fair”. Es geht darum, regelgerecht zu fahren und Erster zu werden. Wenn man – innerhalb der Regeln – einen potenziellen Gegner ausbremsen kann, dann wird das gemacht. Punkt. Beim Sport gilt “geht vor fair” und nicht umgekehrt. Es ist nicht wichtig, was fair ist, sondern es ist wichtig, was noch im Rahmen der Regeln getan werden kann, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Und Vorteile für einen können schon per Definition kaum fair für den anderen sein. Wenn also Fairness eines Tages tatsächlich Einzug in die genannten Sportarten hielte, dann würde niemand mehr damit Geld verdienen, denn es wäre stinklangweilig. Kein berstendes Blech in der Formel 1 und im Fußball gewänne immer die Mannschaft mit den schnellsten Läufern. Tischfußball dürfte dann aufregender sein.

Wenn also schon von Fairness fabuliert wird, im Sport, dann seid doch so fair und steht endlich dazu, dass es in all diesen männerdominierten Spielen selbstverständlich schwule Mitkämpfer gibt. Es wäre wohl gerecht und kameradschaftlich, wenn diese – sobald sie im Profilager angekommen sind – nicht mehr Frauen heiraten und ihre sexuellen Neigungen verstecken müssten, sobald sie in der Kabinendusche damit fertig sind, sich gegenseitig zu lutschen. Hier wäre fair tatsächlich spannend, aber hier scheint es aus irgendwelchen Gründen nicht angebracht zu sein – und das, wo ich mir kaum etwas öffentlich Schwuleres vorstellen kann als das Gefummele nach einem Tor. Hier geht konform vor – erneut nicht fair.

Grotesk wird es um das Wörtchen “fair” – und zwar so sehr, dass einem beim Lachen Bröckchen mitkommen –, wenn von einem fairen Prozess die Rede ist. Egal in welchem Zusammenhang, es ist in der Regel gelogen. Vielleicht gab es so was wie einen fairen Prozess irgendwann einmal – am Marterpfahl oder per Duell. Die Kirche hat in ihrer Geschichte auch eine Reihe fairer Prozesse durchgeführt – ach nein, das waren ja kurze. Na, ohnehin ein anderes Thema. Heutzutage gilt für mich: Ist die Sachlage klar, weiß ich nicht, wozu ein Prozess überhaupt gut sein soll. Ich traue juristisch ausgebildeten Personen zu, ein Strafmaß festzulegen, das der Tat angemessen ist. Ist die Sachlage unklar, gewinnt im sogenannten fairen Prozess letztlich derjenige mit dem Geld für die teurere anwaltliche Vertretung. Wieder gilt: “geht vor fair”.

Was hingegen gar nicht geht, ist, wenn der Weltpolizist USA irgendwo auf der Welt Fairness oder – wie zuletzt – zum Beispiel einen fairen Prozess gegen Gaddafi forderte. Äh, wie bitte? Wer fordert da? Und mit welchem Recht? Zuallererst habe ich mal gelernt, dass Staaten souverän sind. Wenn also irgendein Revolutionär irgendeinem Staatschef kurzen Prozess macht (in dem Fall möglicherweise sogar einen fairen), dann mag das die Personen innerhalb dieses Staates betreffen, sonst aber geht's keinen was an. CIA und FBI warten auch nicht ganz dringend darauf, dass Europol sich mal des Kennedy-Attentats annimmt. Im Grunde geht es schon keinen anderen Staat etwas an, wenn der Diktator eines souveränen Staates sein Volk schlecht behandelt. Natürlich darf das Konsequenzen in der Zusammenarbeit haben, aber vielleicht fällt jemandem mal etwas anderes ein, als Waffen an immer den aktuell weniger gruselig wirkenden Teil solcher Auseinandersetzungen zu liefern. Ach ja, eingefallen ist der NATO und den USA etwas: kräftig mitspielen. Den souveränen Staat Libyen bombardieren, Rebellen mit Waffen und Logistik unterstützen und gleich im Nebensatz einen fairen Prozess für Gaddafi fordern.

Vielleicht ist es tatsächlich fair, sich um das Wohl der Menschen auf der ganzen Welt zu kümmern – notfalls mit Gewalt. Dann wäre es aber doch anständig und gerecht, diesen Luxus allen Erdbewohnern zukommen zu lassen und nicht nur immer jenen, die gerade das Glück oder Pech haben, über Öl zu wohnen. Speziell in Afrika, aber wohl auch in großen Teilen Asiens könnte dieser neue, faire Ansatz für reichlich Spaß sorgen – zumindest  für die Waffenhändler, die einzig faire Organisation bei solchen Veranstaltungen, beliefert sie doch alle Teile gleich und gerecht anhand der jeweiligen Zahlungsbereitschaft. Ein Kriterium, ganz ohne lästige Emotionen und andere Unsachlichkeiten.

So viel also zur Fairness, die hier hergeheuchelt werden muss, um einen Eingriff kleinzuquatschen, der in einem fairen Verhältnis gar nicht vorkommen kann. Weder haben sich die libyschen Rebellen jemals gegenüber der NATO in irgendeiner Weise hervorgetan, sodass ihnen diese Gegenleistung zu schenken wäre, noch hat der Staat Libyen NATO oder USA auf eine Weise attackiert, dass sein Regime nun der Fairness halber zu stürzen sei. Ich möchte die Bewohner Afghanistans fragen, wie fair sie es eigentlich finden, dass die Fairness-Polizei ihr Land seit zehn Jahren mit einem versteckt und offen gefochtenen Krieg überzieht, weil ein paar Bekloppte mit Flugzeugen ins World Trade Center geflogen sind. Hier steht ein einziger Tag gegen 3650 Tage. Und die Verantwortlichen für diesen Krieg fordern Fairness? Dieselben verlogenen Schleimer, die Killerkommandos durch die ganze Welt schicken und alte Männer, wahlweise in Höhlen oder pakistanischen Unterschlupfen, einfach abknallen, erklären der Welt, was fair bedeutet? Ich finde es nicht fair, wenn ein solch groteskes Weltbild Begriffe erklärt. Mancher wusste vorher vielleicht wirklich nicht, was fair bedeutet, und nun weiß er es auch nicht – ganz und gar nicht. Aber offenbar hat ja die Bedeutung des Wortes “fair” speziell für die USA schon seit geraumer Zeit eine Bedeutung, die sich ihren Gegenübern entzieht. Ich bin sicher, die Indianer hatten für das, was ihnen als Fairness verkauft wurde, ganz andere Begriffe (die meisten kann man ja nicht mehr fragen), und dass die Schwarzen des beginnenden zwanzigsten Jahrhunderts fair genauso buchstabiert haben wie ihre weißen Herrscher, bezweifle ich. Und hat eigentlich den Gefangenen von Guantanamo irgendwann mal jemand ihre Rechte vorgelesen? Ein fairer Prozess. Bullshit!

Zuletzt noch zu den wenigen Ausnahmen, in denen ich finde, dass fair nicht mehr dran ist. Den Attentätern auf das WTC stand aus meiner Sicht zum Beispiel kein fairer Prozess mehr zu. Nicht, dass sie in den USA einen hätten erwarten dürfen, schaut man darauf, wie es den angeblichen Hintermännern geht. Aber diese Jungs hatten sich ja ohnehin zusammen mit den Ermordeten ins Jenseits geflogen und waren möglicherweise reichlich enttäuscht, als sie einfach verpufft sind und sich die Belohnung im muslimischen Paradies nicht einstellen wollte. Sei's drum, weg damit. Und liebe Norweger: Verschwendet doch einfach keine Zeit, keine Ressourcen und überhaupt nicht mehr einen Cent aus der Staatskasse für einen Prozess gegen Anders Breivik. Zum einen weiß man nie, wann man das Geld noch für eine Bankenrettung braucht, zum anderen ist es rausgeschmissen. Jemand, der sich so bewusst aus den Regeln der Gesellschaft ausklinkt, der bewaffnet auf eine Insel zieht, um wahllos Menschen abzuknallen, verdient es nicht mehr, anhand gesellschaftlicher Regeln bemessen zu werden. Und es ist mir auch egal, ob da ein Knall diagnostiziert wird, selbst wenn psychiatrische Gutachten einen anderen Namen dafür haben würden. Es interessiert mich nicht. Jede weitere Beschäftigung mit einem solchen Arschloch bindet Ressourcen, die anderswo benötigt werden. Will sich jemand mit dem Fall befassen, weil das so wahnsinnig spannend ist, soll er das gefälligst in seiner Freizeit tun und nicht auf Staatskosten. Ich bin sicher, auch im sonst so entspannten Norwegen gibt es ein paar Fälle, bei denen sich das Bemühen um eine Heilung lohnte; jemand wie Breivik ist kein solcher Fall. Sperrt ihn weg, füttert ihn, gebt ihm was zu lesen und was zu schreiben, und wenn er ein besserer Mensch werden will, dann kann er das in seiner Zelle tun und sich schriftlich äußern. Das ist menschlich genug und es ist tatsächlich fair. Wer zum Killer wird, hat keinen Anspruch mehr darauf, nach den Normen behandelt zu werden, die er schwer bewaffnet ins Klo gespült hat. Das ist mir eine einfache Gleichung, eine faire Rechnung. Und sollte er finden, dass sein trostloses, verkorkstes Dasein keinen Weg zur Besserung findet und den Aufwand, es weiterzuleben, nicht wert ist, dann lasst ihn gehen. Menschen zu töten halte ich für unfair, sie wider ihren Willen am Leben zu halten, aber auch. Wer auf diese Weise seine lebenslange Haft verkürzen will, hat meinen Segen.

Und vielleicht ist der am wenigsten faire Prozess, dem wir in unserer westlich-fortschrittlichen Denkweise unterliegen, der, dass das Ende unseres Lebens nicht selbstbestimmt sein darf. Richter, die wir nicht kennen und nie kennenlernen, haben es für Unrecht erklärt, das eigene Leben zu beenden - und das, obwohl wir doch alle sterben. Aber das ist ein anderes Thema, bei dem aber eben auch leider “geht vor fair” gilt. Nur wem das nützt, ist viel schwieriger zu bestimmen.