Ganz schön wütend, alles so, in letzter Zeit. Jeder ist wütend auf jeden.
Die Geberstaaten auf Griechenland, die Griechen auf Ihren den Staat (den sie aber alle ausschlachten, indem Sie Geld offenbar auf Schritt und Tritt an ihm und somit auch an sich vorbeischmieren), die griechische Regierung auf die Geberländer, weil sie nicht geben wollen, die Geberländer, die selbst nix haben auf die, die noch ein bisschen haben und das jetzt geben wollen, die Menschen auf die Banken, die aber selbst nicht mehr wissen, was sie tun sollen und die Regierungen auf das Volk, weil es nicht mehr so will, wie sie wollen.
Arme sind wütend auf Reiche, weil sie sich nicht vorstellen können, wie die zu so viel Geld gekommen sind, wo sie doch so wenig haben, ergo müssen die Reichen ihr Geld von ihnen, den Armen, haben.
Die Intellektuellen sind wütend auf die Doofen, weil sie an der Misere aus ihrer Sicht Mitschuld tragen, sind wütend auf die Schmierensender, die den Rest Hirn mit Bauer-sucht-Frau noch rausblasen un wieder auf die Doofen, weil sie sich damit einfangen lassen.
Die Reichen sind wütend auf die Armen, weil die sie aus ihrem Traum aufzuwecken drohen. Der Westen ist wütend auf den Osten (wegen des Solis) und das ganze Land ist wütend auf den Nahen Osten, wo die Menschen, die ihr Leben in Gefahr gebracht haben nun wütend auf alle anderen sind, die nun die Revolution in Gefahr bringen, weil wieder die gleichen machtgierigen Menschen die nächste Diktatur anzetteln.
Die ganze Welt ist wütend auf die Juden, die wiederum wütend auf die Palästinenser sind, die ihr Land zurückfordern, das ihnen die genommen haben, die einst wütend auf die waren, die Israel im Zaum halten soll.
Machthabende sind wütend auf die Opposition, die zwar auch nur an die Macht will, in diesem Zuge aber noch die ein oder andere Ungerechtigkeit auszusprechen wagt - bis sie selbst an der Macht ist.
Autonome sind wütend auf Unautonome und merken dabei garnicht, wie Unautonom sie selbst sind, Vegetarier sind wütend auf Fleischesser und Nichtraucher auf Raucher, Dicke auf Dünne, weil sie die Krankenkassen belasten und Leistungsstarke sind wütend auf Ausgebrannte, weil sie nun die ganze Arbeit mitmachen müssen.
Unser Problem, so scheint es mir, ist nicht die Ungerechtigkeit auf dieser Welt, sondern es ist die Wut, mit der wir dieser Ungerechtigkeit begegnen, weil wir immer glauben, dass sich diese Ungerechtigkeit nur gegen uns richtet, nie gegen die Anderen.
Und um dann diese gefühlte Ungerechtigkeit wenigsten etwas ins Lot zu bringen, tun wir genau das, was wir den Anderen vorwerfen, wir bringen ihn um, zünden ihn an, stellen ihn an den Pranger, plündern ihn und fühlen uns unendlich gut dabei. Und wenn alles vorbei ist und wir unsere Posten gesichert haben, weil wir Revolutionsführer oder Terrorchef oder Chef oder Betriebsratsvorsitzender geworden sind, dann schauen wir wieder angewidert nach unten zu all denen, die uns selbst nun ungerecht finden und finden das alles so ungerecht, dass wir mit der Unterdrückung, die wir einst bekämpft haben, wieder von vorne beginnen.
Und so werden aus 68ern, die einst gegen das Establishment angekämpft haben 2011er, die selbst dazu gehören, Steinewerfer werden zu Politikern und Arme, die einst gegen die monetäre Ungerechtigkeit angegangen sind, werden Banker, die nun selbst in den Türmen sitzen und verächtlich nach unten lächeln und die, die Autos angezündet haben werden solche, die Autoanzünder bei der Polizei melden.
Das Einzige, was beständig überdauert ist das, was dann immer wieder für das sorgt, was wir doch alle immer irgendwie loswerden wollen, in Wochenendseminaren, im Buddhismus, mit Geld und Erfolg oder indem man Blogs schreibt: Die Wut.
Geholfen hat sie, sind wir ehrlich, in den wenigsten Fällen, kaputt gemacht hat sie schon so unendlich viel, denn sie hält sich, das ist das perfide an ihr, selbst aufrecht, ein emotionales Perpetuum Mobile sozusagen, das nicht aufhört, solange man sich ihr hingibt. Und das tun wir mit Leidenschaft.
Und das ist dann auch die ursprünglich Bedeutung. Wut stammt vom lateinischen Furore ab und kommt, wie so vieles vermutlich, aus dem Theater, bedeutet „rasender Beifall“ und „Leidenschaftlichkeit“.
Verrückter Weise ist es wohl gerade diese fehlende Leidenschalftlichkeit, die uns so wütend werden lässt, dass wir wenigstens in Einem Leidenschaftlich sein können: In Wut und Zerstörung.
Das aber ist wenig zielführend und nachhaltig. Nachhaltigkeit aber wäre dann ja auch wieder so ein Thema, das dann aber auch besser in einem neunen Blog erörtert werden soll - da könnt ich doch grad wieder wütend werden!
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