Ich glaube ja, das Gemeine an so einer Gemeinde ist, dass sie meist gar nicht so gemeint ist.
Die älteste mir bekannte Gemeinde trifft sich Sonntags und vergleicht die Otto-Katalog-Bestellungen der vergangenen Woche. Der gemeinsam vorgeheuchelte Ansatz ist ein anderer, aber ob sich die Mitglieder einer Gemeinde auch unter der Woche mit dem Arsch anschauen, wird im Moment der Gemeinsamkeit nicht verhandelt. Die wahrscheinlich absurdeste Gemeinde dürfte die Facebook-Community sein. Knapp 600 Millionen Menschen weltweit bilden eine Gemeinschaft, in der Verbundenheit in gemeinsamen Interessen nicht einmal virtuell hergestellt werden kann. Und das ist gut so. Viel wichtiger scheint doch dem Bewohner der ersten Welt im 21. Jahrhundert seine Individualität zu sein – wozu dann das allgegenwärtige Community-Gebrüll gut sein soll, erschließt sich mir nicht.
Ich selbst bin ja Mitglied zweier weiterer Gemeinden: Der Mac- und der Gay-Community. Da wird man gar nicht gefragt, geschweige denn könnte man austreten wie aus der Gemeinde weiter oben. Die erste der beiden wird immer dann heraufbeschworen, wenn jemand seinen Geldbeutel damit füllen kann und die zweite, wenn jemand sein Ego
Wozu dann also das Etikett und all der denglishe Käse drumrum? "Interessengemeinschaft für einen bestimmten, sehr kurzen, Zeitraum" wäre ehrlicher, klingt halt Scheiße, selbst abgekürzt. Nicht annähernd so sexy wie ELSTER für ELektronische STeuerERklärung, aber das ist ein anderes Thema. Und selbst "Interessengemeinschaft" scheint mir schon zu hoch gegriffen, selbst dann, wenn man sich bewusst macht, dass da nur ein Fugen-N drin ist und nichtmal der Plural von Interesse gemeint ist. Schaut man sich aber das gemeinsame Interesse der Veranstaltungen von z.B. Mac- oder Gay-Community an, dann bildet man in jedem Geschäftsmeeting eine Community und ich bestehe darauf, dass künftig jeder Stammtisch und jeder Gangbang "Community" genannt wird. Ich freue mich auf Schilder in Kneipen wie: "Sauf-und-über-die-eigene-Ehefrau-Läster-Community" oder "Hier trifft sich die Kegel-Community von 1895" und auf das Schild: "Swinger-Oase – Ihre Pärchen-und-Singlemänner-die-etwas-mehr-Eintritt-bezahlen-um-einen-wegzustecken-Community".
Konsequenterweise wäre ja dann auch der Koberer auf der Reeperbahn ein Community-Builder. Und ist Community-Building nicht genau genommen ein anderes Wort für missionieren? Klingt halt so altbacken und hat ein Geschmäckle. Da gibt es nun eigene Abteilungen für das Community-Building in Unternehmen und an keiner Tür steht "Und willst Du nicht mein Bruder sein, dann schlag ich Dir den Schädel ein". Gemein eigentlich, denn so ist Gemeinde ja irgendwie gemeint.
Die beschworenen Gemeinden jedenfalls existieren nicht. Und das Anheften eines schicken englischen Etiketts gibt dem ganzen nicht mehr oder weniger Sinn. Nur immer dann wenn man die Gemeinschaft hinterfragt, wedeln lauter Individuen aus den unterschiedlichsten aber immer egoistischen Gründen mit der Community-Fahne. Das ist albern. Lasst die Kirche im Dorf – der vielleicht letzten ernst gemeinten Community. Okay, der Porn-Community will ich ebenso ein echtes gemeinsames Interesse zugestehen.
Und obwohl "Ich hoffe die Community hat viel Fun mit diesem Post" cooler aber auch irgendwie kindischer klingt als "Ich hoffe die Gemeinde hat viel Spaß mit diesem Eintrag", sollte man am besten keins von beidem je irgendwo hinschreiben.
Die Heilig-Geist-Community würde mir da noch einfallen oder die Dachcommunity deutscher Hasenzüchter. Zukünftig gerne auch mal der Communitymeister, oder muss es dann Master of Community heißen? Mal Petra Roth fragen, was ihr da lieber wäre.
AntwortenLöschenAuf jeden Fall Master of Community – also MC. Das ist so young, so hip,so fresh. Und schließlich hat sich die Abkürzung R'n'B auch von geiler, tanzbarer Musik zu seichtem Gejammere hin verändert. Dann schafft das der MC auch. Da wird die schwarze Roth gar nicht gefragt.
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